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Integration durch Sport und Sprache

Wie drei junge Männer mit Migrationshintergrund ihren Lebensweg gestalten

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In Wallenhorst leben (Stand Januar 2010) 668 Ausländer aus 76 Staaten, die Ausländerquote beträgt 2,78 Prozent. Hinzu kommen viele Menschen, die zugewandert sind und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Ihr Zusammenleben mit den Einheimischen thematisiert der zehnte „Tag des Anstoßes“ 2010 unter dem Motto „Wir sind Wallenhorst – einheimisch und zugewandert“.

Die Berichterstattung zum Jahresthema soll einen Eindruck vom Miteinander von Alteingesessenen und Neubürgern vermitteln. Als Höhepunkt wird bei der Abendveranstaltung im November eine Person, die sich ehrenamtlich besonders für Integration und Miteinander einsetzt, mit dem „Stein des Anstoßes“ 2010 geehrt werden.

Der folgende Bericht stellt anhand dreier beispielhafter Einzelschicksale von Mitgliedern der Boxabteilung des TSV Wallenhorst vor, wie Integration funktionieren kann. Wer einen Themenvorschlag für die weitere Berichterstattung hat, kann sich unter Tel. (05407) 888-103 oder unter der Mailadresse anke.rehling@remove-this.wallenhorst.de an Anke Rehling von der Gemeinde Wallenhorst wenden. Ansprechpartner für alle, die einen Preisträger vorschlagen wollen, ist Rüdiger Mittmann unter Tel. (05407) 888-510 oder unter ruediger.mittmann@remove-this.wallenhorst.de .

Wer Integration live erleben will, der sollte die Boxabteilung des Turn- und Sportvereins (TSV) Wallenhorst besuchen. Unter Leitung von Horst Klose trainieren dort Menschen verschiedener Altersklassen und aus 17 Nationen. Hier treffen die unterschiedlichsten Lebenswege aufeinander, die allesamt ihre eigenen Geschichten von Integration erzählen. Wie die von Eduard Grundmann, Arash Jakfar und Firat Köker.

Initiative zeigen“: Eduard Grundmann

Ganz direkt hat Eduard Grundmann von seinem Engagement in der Boxabteilung profitiert. Der 21-Jährige absolviert derzeit eine Ausbildung als Einzelhandelskaufmann im Edeka-Neukauf-Markt in Lechtingen. Den Kontakt zu seinem Arbeitgeber stellte seinerzeit Boxtrainer Horst Klose her. „Wenn ich weiß, dass derjenige es ernst meint und sich reinhängt, verwende ich mich gern für meine Boxer“, sagt Klose.

Im Fall von Eduard Grundmann durchaus mit Erfolg. Sein Chef ist mit dem freundlichen jungen Mann so zufrieden, dass er mit ihm schon über dessen weitere berufliche Zukunft im Betrieb gesprochen hat.

Gebürtig stammt Grundmann aus Kasachstan. Als er dreieinhalb Jahre alt war, gingen seine Eltern mit ihm nach Deutschland, wo seine zwei Geschwister zur Welt kamen. Die Familie lebte zunächst in Belm und zog dann nach Hollage-Ost. Einige Jahre später erwarb Eduard Grundmann an der Alexanderschule Wallenhorst erfolgreich seinen erweiterten Realschulabschluss.

„Ich hab mich schon durchsetzen müssen“, sagt Eduard Grundmann, wenn man ihn nach möglichen Hürden auf dem Lebensweg als in Kasachstan geborener Deutscher fragt. Nach eigenen Angaben hat ihm dabei sein Hobby Boxen sehr geholfen: „Hier lernt man Disziplin und füreinander da zu sein.“

Letzteres hat er sich auch ganz persönlich auf die Fahnen geschrieben. So hat er sich während seiner Schulzeit seit der Alexanderschule jedes Jahr wieder als Klassensprecher engagiert. Bescheiden sagt er: „Ich weiß auch nicht, warum die mich immer gewählt haben.“ Vielleicht, weil Eduard in der Schule das praktiziert hat, was seiner eigenen Meinung nach auch für seinen beruflichen Weg wichtig ist: „Mir ist es wichtig, Initiative zu zeigen.“

Auf eigenen Beinen stehen“: Firat Köker

Die Initiative ergriffen hat auch Firat Köker auf seinem Lebensweg schon mehr als einmal. Der 18-Jährige will in diesem Jahr sein Abitur am Ernst-Moritz-Arndt Gymnasium in Osnabrück machen. Anschließend plant er einen einjährigen Work-and-Travel-Aufenthalt in Australien.

„Ich will auf eigenen Beinen stehen und meinen Charakter entwickeln“, beschreibt der türkische Kurde sein persönliches Ziel für das Jahr „down under“. Nach der Rückkehr aus Australien und dem Wehrdienst möchte er entweder eine Ausbildung zum Berufspiloten bei der Lufthansa absolvieren oder „als Plan B“ ein Studium der Luft- und Raumfahrttechnik beginnen.

Dass Firat Köker, der als Anderthalbjähriger mit seiner Familie nach Deutschland kam, seinen Lebensweg so zielorientiert geht, verdankt er nach eigener Aussage vor allem seinem Vater: „Er hat uns Kindern immer klare Regeln vorgegeben, wollte nicht, dass wir unsere Zeit mit Rumgammeln auf der Straße verbringen und hat darauf bestanden, dass wir Deutsch lernen.“

Vorbehalte gegen Migranten sind Firat, der sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsangehörigkeit besitzt, nicht fremd: „Ab und zu trifft man auf Rassismus, und es gibt noch zu viele Vorurteile.“ Doch er hat auch die Erfahrung gemacht, „dass das seltener wird.“ Auf Seiten der Migranten kann vor allem die Beherrschung der deutschen Sprache aus Firat Kökers Sicht Wichtiges zu diesem Prozess beitragen.

Man hat es selbst in der Hand“: Arash Jakfar

Die Sprache betrachtet auch Arash Jakfar als wesentliche Voraussetzung für Integration. „Man hat es ja selbst in der Hand, Deutsch zu lernen“, meint er, der die deutsche und die afghanische Staatsangehörigkeit besitzt.

Seine Eltern haben einiges auf sich genommen, um den Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. In Afghanistan von den Taliban verfolgt, flohen sie Anfang der neunziger Jahre zunächst nach Moskau und kamen später nach Deutschland. Seit 1999 lebt die Familie in Hollage.

Nach der Orientierungsstufe Hollage wechselte Arash Jakfar zum Ernst-Moritz-Arndt Gymnasium in Osnabrück, wo er 2008 Abitur machte. 2009 begann er ein Mathematik- und Physikstudium. Wenn er dieses abgeschlossen hat, würde der 21-Jährige sich gern selbstständig machen. Ebenso kann er sich jedoch auch eine wissenschaftliche Tätigkeit vorstellen.

Vorurteile hat auch Arash Jakfar schon am eigenen Leibe kennen gelernt. Ebenso aber hat er die Erfahrung gemacht, „dass es mindestens genauso viele Menschen gibt, die einem Mut machen.“ Neben diesen Menschen ist er vor allem seinen Eltern dankbar, die eine mehrjährige Odyssee von Afghanistan über Russland nach Deutschland vor allem für die Zukunft ihrer Kinder auf sich genommen haben.